"Ehrenmord" oder Familiendrama"? - Gewalt gegen Frauen und die Sache mit der "Kultur"

Die vergangenen Monate zeigten: Das Thema Gewalt gegen Frauen, beziehungsweise die Thematisierung des Problems nimmt andere Dimensionen an wenn es sich um die Tat von Muslimen oder Flüchtlingen handelt. Dabei ist Gewalt gegen Frauen nicht erst seit kurzem ein Problem in Deutschland und sicherlich nicht eines das den Westen ausschließt. Gerade in Zeiten von Trump und der AfD sollter daher genauer darauf geachtet werden wie Worte Stimmung machen und damit zum einen gegen eine bestimmte Grupper hetzen, aber auch dabei eine echte Debatte über gesellschaftliche Probleme untergraben.

Fakt ist nämlich dass über Gewalt gegen Frauen wird anders berichtet wird, wenn es sich um die Taten von weißen Männern handelt. Heute nehmen wir die Berichterstattung bei Gewalt gegen Frauen durch den Partner genauer unter die Lupe:


Über Gewalt gegen Frauen durch muslimische Männer, wird anders berichtet als sonst: Schnell fällt der Begriff "Ehrenmord," der ganz klar eine Verbindung zwischen fragwürdigen Geschlechterrollen und Gewalt gegen Frauen herstellt. Die "Ehre" des Mannes wurde hier verletzt, daher tötete/verletzte dieser dann seine Partnerin.
Wenn aber im Gegensatz dazu  ein nicht-muslimischer Mann seine Frau tötet oder verletzt, weil diese ihn verlassen will, sie ihn betrogen hat, oder sie sich seiner Meinung nah ihm gegenüber respektlos verhalten hat, titelt die Bild-Zeitung dann aber:"Familiendrama." Ein Begriff der Einmaligkeit suggeriert und anders als "Ehrenmord," kein fragwürdiges Geschlechterbild als Problem dahinter sieht. Dass auch hier ein tief sitzendes gesellschaftliches Problem dahintersteckt, wird mal schnell untergraben. Ehrenmord, das sind die anderen. Obwohl laut einer Studie des BKA, die im November 2016 von Frau Manuela Schwesig und dem BKA vorgestellt wurde, im Jahr 2015 131 Frauen durch ihren Partner getötet wurden und statistisch gesehen,  in Deutschland jeden zweiten Tag Frau an den Folgen von Gewalt stirbt.  2015 waren insgesamt 104.000 Frauen von Partnerschaftsgewalt betroffen.

 

Wir fordern einen offenen Umgang mit Gewalt gegen Frauen, und sind gegen eine Verharmlosung oder Wegerklärung solcher Straftaten durch den kulturellen Hintergrund der Täter:

 

Kulturelle Hintergründe konsequent benennen (oder nicht)!
Dazu gehören Religions- und Staatszugehörigkeit, Herkunft, und Zugehörigkeit zu Organisationen.  Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Stichprobenartiges Beispiel: Unter den dreißig ersten Berichten, die erscheinen, wenn man auf Bild.de nach dem Stichwort ‚Ehrenmord‘ sucht, nennen 19 Nationalitäten, die nicht Deutsch sind, oder nennen einen Namen, der auf einen Migrationshintergrund schließen lässt. Lediglich einer benennt einen deutschen Täter.
Spielt man dasselbe Spiel mit dem Stichwort „Familiendrama“, sieht das ganz anders aus: die Mehrheit (neun) der Artikel die Tatverdächtige nennen, lässt die Herkunft der Tatverdächtigen im Unklaren. Acht nennen einen Namen, oder ein anderes Merkmal (z.B. Städte- oder Regions-Herkunftsbezeichnungen wie ‚Nürnberger‘ oder ‚Allgäuer‘), die auf weiß-deutsche Herkunft schließen lassen. Lediglich vier Artikel benennen Tatverdächtige und/oder Opfer mit nicht-deutscher Herkunft.
Was sagt das aus? Gewalttaten mit Tötungsabsicht oder Todesfolge, in denen nicht-deutsche Menschen Täter sind, werden deutlich eher als das benannt, was sie sind: Morde. Weiße deutsche Täter*innen kommen eher mit dem auf einen bedauerlichen Einzelfall schließen lassenden Begriff ‚Familiendrama‘ davon. Darüber hinaus ist es bei Taten, die als ‚Familiendramen‘ gelten, deutlich wahrscheinlicher, dass die Herkunft überhaupt nicht genannt wird.
Ist es absurd, in jedem Bericht über weiße, deutsche Täter*innen zu erwähnen, dass sie weiß und deutsch sind? Klar. Aber dann ist es auch absurd, von türkischen oder tschechischen Tätern zu schreiben – es sei denn, es gibt einen Hinweis darauf, dass ihre Herkunft etwas mit der Tat zu tun haben könnte. 

 

 

      Motivationen konkret benennen – und nicht auf Generalisierungen abschieben.
Wo kein eindeutiger Hinweis vorliegt, also Aussagen des Täters oder von Bekannten die bestätigen, dass der Täter sich bei der Tat auf einen Ehrenkodex aus seiner Herkunft bezogen hat, gibt es genauso viele Hinweise dafür, dass der Täter aus ‚verletzter orientalisch-patriarchaler Ehre‘ gehandelt hat, wie es Hinweise darauf gibt, dass weiße, deutsche Männer ihren Freundinnen oder Töchter aus verletzter, deutsch-patriarchaler Ehre Gewalt antun.
Der Vorteil daran, kulturell mitbestimmte Tatmotive so konkret am Einzelfall festzumachen: Diese Vorgehensweise ermöglicht es, darzustellen, wo und wie kulturelle Normen zur Legitimierung von frauenfeindlicher Gewalt missbraucht werden, und konkret gegen sie vorzugehen. Die Formulierung „Muslime sehen Frauen gegenüber Männern generell als minderwärtig“ ist nicht nur falsch, sie lässt auch keine Argumentation zu gegen muslimische Machos, die sich hinter ihr verstecken.

 

       Alle Opfer von Gewalt verdienen dasselbe Maß an Respekt und Aufmerksamkeit, egal, welche Herkunft sie oder ihre Täter haben. Warum handelt die BILD also Fälle wie den der in Freiburg von einem jungen Asylbewerber ermordeten Studentin mit seitenlangen Listen von Beiträgen ab, während Fälle, in denen die Täter weiß sind (oder die Opfer nicht) in der Regel mit einer handvoll Artikel erschöpft sind? Auch im aktuellen Beispiel von Russland zeigt sich: Gewalt gegen Frauen durch weiße Männer, hat kaum Nachrichtenwert.

 

Artikel über den Mord an einer Freiburger Studentin, begangen von einem Asylbewerber. 

Weiße Opfer, weißer Täter: für die BILD wohl kein ergiebiges Thema. 

 

     Besitzansprüche von Männern gegenüber Frauen sind überall falsch und sollten so gekennzeichnet werden.
Wo bei einem "Ehrenmord" noch klar der Besitzanspruch gegenüber der Partnerin als ein kulturelles Problem erkannt und deklariert wird, sieht es wieder bei Fällen die nicht-Muslime betreffen anders aus.
Oft sieht man wie in der Berichtersttatung versucht wird wegen einer bestehenden Beziehung zwischen Täter und Opfer, einem Opfer die Glaubwürdigkeit abzusprechen – etwa, wenn eine Frau Vergewaltigungsvorwürfe erhebt und diese hinterfragt werden mit dem Argument, der Täter sei doch ihr Freund gewesen oder hätte sie für Sex bezahlt.

 

Ein offensichtlicher Einwand gegen diese Forderungen lautet: Wen verteidigt ihr damit? Ist dieser Artikel nicht eine einzige lange Verteidigung von Männern, die Gewalt gegen Frauen verüben?

 

Nein.

 

Sexualstraftaten und geschlechtsgebundene Gewalt müssen als solche benannt werden und Männer, die sie verüben, müssen dafür zur Verantwortung gezogen werden. Dafür ist es aber nötig, die sexistischen Motivationen, die ihnen zugrunde liegen, als solche zu benennen, damit gegen diese Denkmuster angegangen werden kann. Im Endeffekt schaden nämlich beide oben genannten Strategien, sowohl die Verharmlosung als auch die Dramatisierung von Gewalt je nach kulturellem Hintergrund, vor allem den Opfern.

 

 

 

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