Von Patrioten und Patriarchen - Ein Interview mit Frauen* gegen die AfD

Das beeindruckende Projekt von Frauen* gegen die AfD ist gerade jetzt nach den neuesten Wahlprognosen umso wichtiger, die Nachricht umso drängender. Medien spiegeln unsere Gesellschaft, so will man meinen. Doch auch unsere Arbeit gegen medialen Sexismus zeigt: Berichterstattung ist unausgeglichen und sexistisch. Dabei nutzen auch rechtsradikale Gruppen social media mit steigender Tendenz um rechtes Gedankengut zu verbreiten.

Wir sprechen mit Frauen* gegen die AfD über die Macht von Social Media für die Verbreitung von rechtem Gedankengut, sexistischen Ideologien und wie Patriarchat und Patriotismus zusammenhängen.


StopBildSexism: In einem eurer Videos meint der Journalist Michalis Pantelouris: “Das was wir gerade sehen, ist dass alle Probleme mit denen wir uns gerade rumschlagen, in Wahrheit zusammenhängen mit Männern, die Angst haben vor Frauen.”  In den USA wird der Präsident in Foren wie 4chan von sogenannten “meninists” unterstützt, die Frauen nicht als Menschen sehen. Bei der AfD mündet der Kampf gegen Frauenrecht und der Hass auf Homosexuelle und Trans*Personen im bekämpfen von “Genderismus.”
Welche Rolle spielt toxische Maskulinität, also eine Definition von Männlichkeit die auf (sexueller) Aggression und Gewalt basiert bei der AfD?

Frauen* gegen die AfD: Wir haben uns bei unserer Recherche mehr mit den Programmen beschäftigt und die sind oft eher vorsichtig und in einem sachlichen Ton formuliert. Was uns aber jetzt bei der Kampagne begegnet, sind Männer (und ein paar Frauen), die sich als Frauenbeschützer gerieren und behaupten, Frauen in Deutschland vor einer angeblichen Islamisierung und damit verbundenen Einschränkungen schützen zu müssen. Und die werden durchaus mal aggressiv und drohen geradezu mit diesen Einschränkungen.

StopBildSexism: Die AfD hat bekanntlich ein rückständiges Frauenbild, Homosexualität wird als etwas abnormes definiert, und Trans*Personen sind quasi nicht existent. Studien belegen dass deutsche Medien jedoch ebenso diese Geschlechterstereotype fördern wenn es um das Geschlechterverhältnis geht, und ein Deutschland zeigen das so nicht mehr existiert. Ein Bericht von UN Women der 100 Länder untersucht bestätigte ebenso, dass 46% der Nachrichten Gender-Stereotype produzierten und förderten.
Wie seht ihr es um die Rolle der Medien im Kampf gegen Rechtsextremismus und Sexismus bestellt, wenn diese oft leider ebenso verheerend über Frauen, Homosexuelle und Trans*Personen schreiben und berichten?

Frauen* gegen die AfD: Das ist ein weiterer Teil des Problems. Natürlich spielen die Medien eine Rolle und haben auch eine Verantwortung. Trotzdem gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen dem, was die Medien verbreiten und dem, was die AfD vertritt.

StopBildSexism: Stichwort Filterbubble: Rechtspopulisten schaffen es durch neue, „hippe“ Formate immer unauffälliger ihre Ideologien zu streuen, allen voran die Identitäre Bewegung. Besonders Frauen nutzen dabei Instagram oder Twitter, die “Gefahr durch den Fremden” ist dabei ein sehr erfolgreiches Thema. Auch euer Projekt ist gerade wegen sozialer Netzwerke so erfolgreich.
Seht ihr ein Potenzial mit eurem Projekt in die Filterblase von AfD Interessierten Personen durchzudringen?

Frauen* gegen die AfD: Zu genau diesem Zweck rücken wir in unserer Kampagne die Familien- und Frauenpolitik der AfD ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Unser Gedanke war, dadurch Frauen zu erreichen, die die AfD vielleicht aus Angst vor den von der Partei beschworenen Schreckensszenarien wählen wollen. Durch das Sichtbarmachen der frauenfeindlichen Politik, die das Leben dieser Frauen unmittelbar betrifft, hoffen wir natürlich, die eine oder andere umzustimmen.

 

StopBildSexism: Dass ein Mann eine Frau aus Eifersucht, oder weil sie seine Ehre verletzt hat tötet, ist keine Seltenheit. In Deutschland wurden laut einer Statistik des BKA 2015 315 Frauen durch ihren Partner oder Lebensgefährten getötet. Wo aber mit dem Begriff “Ehrenmord” bei Muslimen ein klar strukturelles Problem von Männlichkeit erkannt und bekämpft wird, schweigt die AfD zu diesen Fällen, solange der Täter ein Deutscher ist. In der Presse ist diese Tat dann ebenso unter “Familientragödie” oder “Eskalation” zu finden, Begriffe die das Gefühl einer schlimmen Ausnahme suggerieren und verharmlosend wirken, stellt man sie dem Begriff “Ehrenmord” gegenüber.  
Denkt ihr, es gäbe weniger AfD-Symphatisant*innen, wenn Medien wie BILD Straftäter*innen mit und ohne Migrationshintergrund gleich darstellen würden?

Frauen* gegen die AfD: Das denken wir schon. Gerade durch unsere Erfahrungen im Rahmen unserer Kampagne ist uns noch einmal deutlich geworden, wie verquer die Vorstellungen mancher Kommentierer so sind. Das bezieht sich allerdings weniger auf Ehrenmorde als auf Vergewaltigungen, die angeblich jetzt plötzlich auf offener Straße geschehen würden – und als Grund dafür werden die angebliche „Islamisierung“ und die gestiegene Zuwanderung hingestellt. Als hätte es vorher keine Vergewaltigungen gegeben, und als stammten die Täter nicht meistens aus dem Bekanntenkreis der Frauen.

StopBildSexism: Zu guter letzt: Eine Dame sagt zurecht in einer Sequenz dass ihre Generation für die Rechte der Frauen gekämpft hat und “nicht dass die Zeit wieder zurückgedreht wird.”
Wenn man gegen Patriotismus und Patriarchat kämpfen will - was ist euer bester Tipp? :)

Frauen* gegen die AfD:  Die beste Antwort sollte natürlich jetzt sein: Campaigning ☺!
Darüber hinaus gibt es viele andere politische Ausdrucksformen, die in der Öffentlichkeit wirken. Aber es ist letztlich auch wichtig, bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Mund aufzumachen, Frauenfeindlichkeit und patriarchale Strukturen zu kritisieren. Das gilt auch für Nationalismus (und wir würden mal denken, das meint ihr bei eurer Frage), und daraus erwachsenden Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Das Wort Patriotismus ist doch eigentlich nur ein Versuch, die eben genannten Dinge ins Positive zu verkehren. Wir denken, über so etwas wie Patriotismus und Nationalstolz sollte eine offene, moderne Gesellschaft im 21. Jahrhundert wirklich hinaus sein.


         Wir danken euch für dieses tolle Interview und wünschen euch noch weiterhin viel Erfolg!