99 Jahre Frauenwahlrecht - Wir feiern!

Ladies, wir haben es geschafft!

Seit 99 Jahren haben Frauen in Deutschland das Recht, zu wählen - und die Zeit haben wir ordentlich genutzt. 

Ein kurzer Rückblick

Am 12. November 1918 erhalten Frauen das aktive und passive Wahlrecht – was auch sofort genutzt wurde. An der Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung der Weimarer Republik beteiligten sich fast 80% der wahlbeteiligten Frauen, 9,6 % der Abgeordneten sind weiblich. Auch ansonsten geht es nach dem ersten Weltkrieg schnell voran. Es entstehen Sexualberatungsstellen, Frauen bringen sich – auch wegen der schwierigen Wirtschaftslage – mehr und mehr ins Erwerbsleben ein, und es bilden sich (zumindest lokale) queere Subkulturen. Lange hält das allerdings nicht an, denn mit dem Machterhalt der NSDAP wird auch deren vorsintflutliche Frauenpolitik Programm. 

NS-Frauenpolitik

Frauen verloren während der NS-Zeit de facto ihr passives Wahlrecht, da ihnen mit der Parteilinie der Zugang zu Führungspositionen untersagt war und andere Parteien verboten wurden. Hauptfunktion „arischer“ Frauen wird das Kinderkriegen: Ein Ziel, das einerseits eine Lockerung der Sexualmoral mit sich brachte. Andererseits aber galt diese Lockerung nur für eine eng gefasste, staatlich erwünschte Form von Sexualität: Beziehungen zwischen als volkszugehörig eingestuften Menschen mit dem Ziel der Fortpflanzung. Zu diesem Zweck wurde die bereits bestehende Kriminalisierung von Abtreibung durch den (bis heute existierenden) Paragraph 218 verschärft. Daneben wurde auch die „Werbung“ für Abtreibung und Abtreibungsmittel unter Strafe gestellt – eine gesetzliche Grundlage, die noch immer von Abtreibungsgegner*innen dazu genutzt wird, diejenigen zu verfolgen, die Information über Abtreibungen beispielsweise im Internet zugänglich machen. Gleichzeitig zu dieser extremen „Geburtenförderung“ sollten NS-Rassenpolitik und Eugenik dafür sorgen, dass nur politisch erwünschte Deutsche das Recht auf Leben und Fortpflanzung behielten. 

Frauenrechte im geteilten Deutschland

Nach dem Ende des dritten Reiches wurde diese Bevölkerungspolitik aufgegeben und das Grundgesetz von 1949 enthält den Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Dennoch blieb die freie Lebensgestaltung, insbesondere von Frauen, noch lange eingeschränkt. Je nach dem, in welchem Teil Deutschlands sie lebten, schrieb ihnen der gesetzliche Rahmen ein anderes Idealbild vor: westdeutsche Frauen sollten vor allem Hausfrau und Mutter in einer Versorgungsgemeinschaft mit einem erwerbstätigen Ehemann sein. Dieser erhielt dabei weitgehende Rechte über sie: Bis 1957 durften Ehemänner in der Bundesrepublik entscheiden, ob ihre Frauen arbeiten durften. Und sogar bis 1997 waren Vergewaltigungen legal, solange sie im Rahmen einer Ehe geschahen. Durch entsprechende Absicherung belohnt wurde das nicht unbedingt. Est seit 1986 wird Erziehungsarbeit teilweise in den Rentenansprüchen anerkannt. Wo Frauen sich entschlossen, arbeiten zu gehen, mussten sie bis 1980 damit rechnen, dass es völlig legal war, ihnen niedrigere Löhne zu bezahlen. Einen Teil dieser Benachteiligung erfahren wir bis heute, denn die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen liegt nach wie vor bei rund 20%. Hochgerechnet auf Unterschiede im Einkommen über das gesamte Leben hinweg, betragen die Unterschiede sogar fast 50%.

In der DDR dagegen wurde von Frauen wie Männern erwartet, berufstätig zu sein. Im Austausch für die relative Förderung in diesem Bereich waren berufstätige Mütter vergleichsweise schlecht abgesichert – Arbeitsfreistellung zur Versorgung der Kinder wurde erst ab 1975 teilweise möglich, und Verantwortung für Kinder z.B. im Fall von Krankheit lag überproportional bei Müttern, nicht bei den Vätern der Kinder. Im Bereich der sexuellen Selbstbestimmung war die DDR der Bundesrepublik, übrigens auch nach heutigem Stand, etwas voraus: Seit 1972 galt hier die grundsätzliche Straffreiheit von Abtreibung bis zur 12. Schwangerschaftswoche. 

Only 90s kids will remember...

Ein teilweise vergleichbares Gesetz haben wir für Gesamtdeutschland erst seit 1995. Damals trat das Gesetz in Kraft, das bis heute gültig ist und Abtreibung nach wie vor als Straftat definiert. Allerdings bleibt der Schwangerschaftsabbruch straffrei, wenn er nach medizinischer Beratung durchgeführt wird.

 

Seit den neunziger Jahren schreitet auch die Modernisierung der Familienpolitik voran. Seit 1991 beispielsweise ist das gemeinsame Sorgerecht unverheirateter Eltern möglich, seit 1996 gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz (und seit 2013 sogar auf einen Kita-Platz). Das 2005 eingeführte Elterngeld soll außerdem die Beteiligung beider Eltern an der Kinderbetreuung fördern: Den vollen Anspruch von 14 Monaten haben Eltern nur, wenn sie die Betreuungszeiten unter einander aufteilen und mindestens zwei Monate pro Person beanspruchen.

 

Und auch für Frauen außerhalb cis-heterosexueller Mutterrollen gibt es gute Nachrichten. Seit 2001 ermöglicht das Lebenspartnerschaftsgesetz die rechtliche Absicherung gleichgeschlechtlicher Beziehungen. Seit diesem Jahr ist es gleichgeschlechtlichen Paaren sogar möglich, zu heiraten, was die vollständige Gleichstellung auch in Bereichen wie Adoptionsrecht und Förderung künstlicher Befruchtung bedeutet, in denen heterosexuelle Ehepaare bisher bevorzugt wurden. Transgeschlechtliche Frauen können seit den achtziger Jahren nach dem Transsexuellengesetz ihren Namen und ihren Personenstand angleichen.

 

Allgemein gilt: Seit 1998 verpflichtet sich Deutschland dem Grundsatz des Gender Mainstreaming. Was heute gern als Schreckgespenst konservativer Politiker*innen genutzt wird, um so zu tun, als sollten Geschlechtsidentität und vor allem traditionelle Geschlechtermodelle abgeschafft werden, bedeutet ganz einfach: In allen Bereichen, in denen politische Entscheidungen gefällt werden, sollen deren geschlechtsspezifische Auswirkungen mitgedacht werden. Nach dem 1991 eingeführten Zusatz zum Grundgesetz ist der Staat außerdem verpflichtet „die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen“ zu fördern. Darunter fallen auch viele Bereiche, in denen der Reformbedarf noch groß ist: 

Packen wirs an!

Armut, vor allem im Alter, betrifft überproportional Frauen.

 

Im Vergleich zur Kinderbetreuung ist die Pflege alter oder kranker Angehöriger, die überdurchschnittlich von Frauen erledigt wird, noch wenig abgesichert und unterstützt.

 

Die Regeln zur Versicherung von Hebammen machen sowohl den Frauen, die diesen Beruf ausüben, als auch denen, die sich für die Geburt ihrer Kinder Hebammenunterstützung wünschen, das Leben schwer.

 

Die nicht bevormundende, ausreichend schützende Behandlung von Sexarbeiterinnen ist und bleibt ein heiß diskutiertes und nicht abgeschlossenes Thema.

 

Die Einschränkung von Familiennachzug bedeutet, dass viele asylbedürftige Frauen auf der Strecke bleiben, während diejenigen, die nach Deutschland kommen, gerade in Sammelunterkünften aufgrund ihres Geschlechts weiter verwundbar sind.

...

 

Wir haben schon so viel erreicht. Es bleibt noch so viel zu tun.

 

Mischen wir uns ein. 

 

 

Rebecca K. 

Quellen Blog und Video:

 

http://queerhistory.de/unterricht/geschichte-der-empfaengnisverhuetung

http://queerhistory.de/unterricht/der-paragraf-218-in-der-deutschen-geschichte

https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/innenpolitik/frauenbewegung.html

https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/innenpolitik/rassenpolitik.html

https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/innenpolitik/adf

https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/innenpolitik/frauenbewegung.html

https://www.dhm.de/lemo/rueckblick/der-internationale-frauentag.html

https://www.gleichstellungsbericht.de/

https://www.bmfsfj.de/blob/113474/8ec6535a22f821b63271cd037292ce26/dauerhaft-ungleich-berufsspezifische-lebenserwerbseinkommen-von-fauen-und-maennern-in-deutschland-data.pdf

 

Bildquellen Video:

 

https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Helene_Weber#/media/File:Bundesarchiv_B_145_Bild-F006445-0024,_M%C3%BCttergenesungswerk_bei_Bundespr%C3%A4sident_Heuss.jpg

https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Helene_Wessel#/media/File:Bundesarchiv_Bild_183-17490-0004,_Helene_Wessel.jpg

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Elisabethselbertgesamtschule.jpg

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-41465-0001,_Berlin,_Ausstellung_%22Die_Welt_der_Frau%22,_K%C3%BCche.jpg

https://de.wikipedia.org/wiki/Frauen_in_der_Zeit_des_Nationalsozialismus#/media/File:Bundesarchiv_Bild_146-1973-010-31,_Mutter_mit_Kindern.jpg

https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Hilde_Benjamin?uselang=de#/media/File:Fotothek_df_pk_0000214_010.jpg

https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Elisabeth_Schwarzhaupt?uselang=de#/media/File:Bundesarchiv_B_145_Bild-F016393-0032,_Bonn,_Schwarzhaupt_empf%C3%A4ngt_Ministerin_aus_%C3%84gypten.jpg

https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Annemarie_Renger?uselang=de#/media/File:Bundesarchiv_B_145_Bild-F039419-0012,_Hannover,_SPD-Bundesparteitag,_Renger.jpg

https://de.wikipedia.org/wiki/Heide_Simonis#/media/File:1651_Heide_Simonis.JPG

https://de.wikipedia.org/wiki/Hannelore_Kraft#/media/File:2017-05-04-WDR_Wahlarena-1410.jpg

https://de.wikipedia.org/wiki/Angela_Merkel#/media/File:Angela_Merkel_-_2017248170623_2017-09-05_CDU_Wahlkampf_Heidelberg_-_Sven_-_1D_X_MK_II_-_150_-_B70I6066.jpg